Büro von Harald Sievers

Logo - Harald SieversHarald Sievers .
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Aktuelle Steuernews

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Umsatzsteuer - März 2017

  • § 4 UStG, § 96 FGO - Innergemeinschaftliche Lieferung: Die USt-Id-Nr. und der Vertrauensschutz des Lieferanten

    Prüfung und Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikations-nummer des Kunden sind für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von überragender Bedeutung.
    Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nachträglich rückwirkend gelöscht wird.

    Sachverhalt
    Die Steuerpflichtige handelte mit gebrauchten Kfz. Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte das Finanzamt die Steuerbefreiung mehrerer Lieferungen an einen italienischen Kunden.

    Gegenüber der Gebrauchtwagenhändlerin war der Italiener unter Verwendung seiner italienischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aufgetreten, deren Gültigkeit das BZSt vor jeder der Lieferungen nach qualifizierter Anfrage der Steuerpflichtigen ausdrücklich bestätigt hat.

    Erst nach Durchführung der Lieferungen haben die italienischen Behörden die Identifikationsnummer mangels Unternehmer-eigenschaft des Italieners rückwirkend gelöscht.

    Die wurde für die deutsche Unternehmerin zum Nachteil, weil Finanzverwaltung und Finanzgericht „vermuteten“, die Steuer-pflichtige habe nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gewahrt.

    Entscheidung
    Der BFH folgt dieser Argumentation nicht. Die ausländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Kunden ist zwar keine materiell-rechtliche Voraussetzung der innergemeinschaftlichen Lieferung, erlangt aber Bedeutung für

    - die Steuerfreiheit aufgrund des Beleg- und Buchnachweises

    sowie

    - die Steuerfreiheit aufgrund des Vertrauensschutzes.

    Bedeutung der USt-Id-Nr. für den Buchnachweis (§ 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV)
    Die ausländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers ist Teil des vom Lieferanten zu führenden Buchnachweises. Aufzuzeichnen ist

    - die richtige und im Lieferzeitpunkt gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des wirklichen Abnehmers.

    Im Streitfall hat die deutsche Unternehmerin zwar die bei Lieferung noch gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Italieners aufgezeichnet. Da es sich bei dem Italieners aber unstrittig um keinen Unternehmer handelte, entfiel die Beweiskraft dieser buchmäßigen Aufzeichnung.

    Beachten Sie ...
    Es kann daher insoweit nicht zu einer Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf formeller Beweisgrundlage kommen.

    Bedeutung der USt-Id-Nr. für den Vertrauensschutz § 6a Abs. 4 UStG
    Die Steuerfreiheit aufgrund Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 UStG setzt u. a. voraus, dass der Unternehmer den o. a. Pflichten für den Buchnachweis ihrer Art nach nachgekommen ist. Maßgeblich hierfür ist

    - die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit

    der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.

    Dafür genügt die Aufzeichnung einer im Zeitpunkt der Lieferung gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers, sodass die – im Streitfall erfolgte – rückwirkende Löschung dieser Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nach Ausführung der Lieferung nicht zulasten des gutgläubigen Lieferers berücksichtigt werden kann.

    Beachten Sie ...
    Es widerspräche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Verkäufer allein deshalb zur Mehrwertsteuer heranzuziehen, weil die Identifikationsnummer des Erwerbers rückwirkend aus dem Register gelöscht wurde.

    Verlust des Vertrauensschutzes nur bei nachgewiesener Pflichtverletzung
    Das FA und dem folgend das FG versagten im Streitfall für einige der Lieferungen den Vertrauensschutz, weil bei anderen Liefervorgängen Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden. Dieses Vorgehen hält der BFH für unzulässig:

    „Selbst wenn ganz erhebliche und auf den ersten Blick erkennbare Unterschiede hinsichtlich der Unterschrift auf den Abholbelegen für drei Pkw und dem Reisepass vorhanden sind ... und diese Abweichungen ... geeignet wären, Zweifel hinsichtlich der Person des tatsächlichen Abnehmers und der unternehmerischen Verwendung der verkauften Pkw im übrigen Gemeinschaftsgebiet zu begründen, sind keinerlei Anhalts-punkte dafür festgestellt, dass die deutsche Unternehmerin bereits bei dem davorliegenden Verkauf vom 18.8.2010 und dem danach erfolgten Verkauf vom 23.10.2010 die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht beachtet hätte.“

    Beachten Sie ...
    Pflichtverletzungen bei anderen Liefervorgängen sind nicht ausreichend, um den aufgrund der seinerzeit gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bestehenden Vertrauens-schutz auch für solche Lieferungen zu versagen, in denen zu besonderer Sorgfalt veranlassende Umstände weder festgestellt noch offensichtlich sind. Die bloße Vermutung einer Pflichtverletzung auch bei den nämlichen Lieferungen reicht damit nicht.

    PRAXISHINWEISE
    1. Die Entscheidung des BFH zeigt noch einmal, wie wichtig die für den Vertrauensschutz häufig als zu umständlich und zeitaufwendig empfundene qualifizierte Bestätigungsanfrage (§ 18e Nr. 1 UStG, Abschn. 18e.1 Abs. 4 UStAE) ist.

    2. Nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg reicht es aus, dass ein Lieferant bei einem EU-Geschäft die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Geschäftspartners bei Vertrags-schluss überprüft.
    Wird die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer während der Geschäftsabwicklung ungültig, muss der Händler sich dieses nicht zurechnen lassen (AStW 16, 771).

    Anmerkung
    Interessant sind auch die verfahrensrechtlichen Erkenntnisse des BFH.
    Die deutsche Unternehmerin machte mit ihrer Beschwerde nämlich geltend, das FG habe einen Verfahrensfehler begangen.

    Es habe ihren Tatsachenvortrag zum Vorliegen von qualifizierten Bestätigungen der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers durch das Bundeszentralamt für Steuern vor Ausführung des ersten Geschäfts unberücksichtigt gelassen, obwohl dieser Vortrag – auch bei Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG – entscheidungserheblich sei.

    Der BFH teilt diese Auffassung.

    Der Fehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

    Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde zu legen.
    Das bedeutet u. a., dass das FG den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei berücksichtigen muss.

    Dabei gehört zum Akteninhalt u. a. das Vorbringen der Beteiligten. Deshalb muss das FG in seinem Urteil zwar nicht auf jede Einzelheit des Sachverhalts und des Beteiligtenvortrags ausdrücklich eingehen. Es verletzt jedoch seine Pflicht zur vollständigen Berücksichtigung des Streitstoffs, wenn es einen bestimmten Tatsachenvortrag erkennbar unberücksichtigt lässt, obwohl dieser auf der Basis seiner materiell-rechtlichen Auffassung entscheidungserheblich sein kann.

    PRAXISHINWEIS
    Das Überprüfen von FG-Entscheidungen auf derartige Verfahrensfehler gewinnt in der Praxis eine immer größere Bedeutung.

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