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Einkommensteuer - Juli 2024
- § 7 EStG - Sachverständige Schätzung
der Restnutzungs-dauer eines Gebäudes nach Maßgabe der
betreffenden ImmoWertV
Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung einer kürzeren tat-sächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG jeder sachverständigen Methode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint.
Der kapitalisierte Wert eines lebenslangen, fortbestehenden Nießbrauchsrechts an einem Grundstück ist nicht Bestandteil der Anschaffungskosten des Grundstücks, wenn der Nieß-braucher das Eigentum am belasteten Grundstück erwirbt.
Kürzere tatsächliche Nutzungsdauer
Nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG können anstelle der Absetzungen nach Satz 1 der Vorschrift die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechenden AfA vorgenommen werden.
Nutzungsdauer im gesetzlichen Sinne ist der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung ent-sprechend genutzt werden kann (§ 11c Abs. 1 Satz 1 EStDV).
§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG räumt dem Steuerpflichtigen somit ein Wahlrecht ein, ob er sich mit dem typisierten festen AfA-Satz nach Satz 1 der Vorschrift zufriedengibt oder eine kürzere tat-sächliche Nutzungsdauer geltend macht.
Die Darlegungs- und Feststellungslast für eine kürzere tatsäch-liche Nutzungsdauer trägt der Steuerpflichtige.
Die Nutzungsdauer ist zu schätzen.
Eine solche Schätzung verlangt nach allgemeinen Grundsätzen keine Gewissheit, sondern vielmehr nur größtmögliche Wahr-scheinlichkeit.
Dabei kann sich der Steuerpflichtige zur Darlegung einer kür-zeren tatsächlichen Nutzungsdauer jeder sachverständigen Me-thode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint.
Die gewählte Methode muss über die maßgeblichen Determi-nanten der Nutzungsdauer ‒ z. B. technischer Verschleiß, wirt-schaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen ‒ Aufschluss geben.
Hierzu reicht eine Gutachtenmethode aus, durch die die Rest-nutzungsdauer eines Gebäudes modellhaft wirtschaftlich be-stimmt wird.
Die weitergehenden Anforderungen und Einschränkungen, die die Finanzverwaltung in Rz 23 f. des BMF-Schreibens vom 22.2.2023 (BStBl I 23, 332) für den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer durch Sachverständigengutachten aufstellt, lassen sich dem Gesetz jedenfalls so nicht entnehmen.
Insbesondere die sachverständige Ermittlung der Restnutzungs-dauer gemäß § 6 Abs. 6 ImmoWertV 2010 (inzwischen § 4 Abs. 3 der Immobilienwertermittlungsverordnung vom 14.7.21 ‒ ImmoWertV 2021, BGBl I 21 2805) ist eine gutachterlich an-erkannte Schätzungsmethode, die ohne eine gesetzliche An-ordnung für steuerrechtliche Schätzungen nicht ausgeschlossen werden kann.
Ein auf die Vorgaben der betreffenden Immobilienwerter-mittlungsverordnung gestütztes Sachverständigengutachten ist auch geeignet, Aufschluss über die für die tatsächliche Nut-zungsdauer maßgeblichen Determinanten zu geben.
Die ImmoWertV 2010 ordnet eine wirtschaftliche Bestimmung der Restnutzungsdauer an, stellt somit nicht auf den tech-nischen Verschleiß eines Gebäudes ab.
Begründet der Steuerpflichtige die kürzere tatsächliche Nut-zungsdauer mit einer wirtschaftlichen Abnutzung oder einer auf rechtlichen Gegebenheiten beruhenden früheren Entwertung, bedarf es nicht einer sachverständigen Feststellung zum tech-nischen Verschleiß des Gebäudes, da die kürzere wirtschaftliche oder rechtliche Nutzungsdauer entweder nur bedingt oder zu-meist gar nicht vom technischen Gebäudezustand abhängig ist.
Vielmehr reicht für die Schätzung der Nutzungsdauer eine sach-verständige Begutachtung aus, die insbesondere die indivi-duellen Gegebenheiten des Objekts (z. B. durchgeführte oder unterlassene Instandsetzungen oder Modernisierungen, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 ImmoWertV 2021) berücksichtigen.
Im Streitfall war die Würdigung des FG, die im gerichtlichen Sachverständigengutachten nachvollziehbar ermittelte Restnut-zungsdauer der Gebäude von 19 Jahren sei als kürzere tat-sächliche Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigen, nicht zu beanstanden.
Wegfall Nießbrauchsrecht
Die Entscheidung des FG war jedoch insoweit rechtsfehlerhaft, als es den Wert des ihr bereits zustehenden Nießbrauchsrechts, der auf den erworbenen Miteigentumsanteil an dem Grundstück entfällt, als Anschaffungskosten angesehen und im Umfang des Gebäudeanteils in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen hat.
Denn tatbestandlich setzen Anschaffungskosten Aufwendungen des Steuerpflichtigen voraus.
Dies erfordert eine wirtschaftliche Belastung.
Eine solche ist ausgeschlossen bei fehlender Gegenleistungs-pflicht.
Die Steuerpflichtige hatte in Bezug auf dieses Nießbrauchsrecht keinen mit dem Eigentumserwerb in Zusammenhang stehenden Aufwand getragen.
Denn sie hatte dieses Recht nicht hingegeben, um den Mit-eigentumsanteil an dem Grundstück unbelastet zu erwerben.
Vielmehr blieb sie trotz Eigentumserwerbs Inhaberin des Nieß-brauchsrechts.
Dies ergibt sich aus § 889 Alt. 2 BGB, wonach ein Recht an einem fremden Grundstück ‒ hier das Nießbrauchsrecht ‒ nicht dadurch erlischt, dass der Berechtigte ‒ hier die Steuerpflichtige ‒ das Eigentum an dem Grundstück erwirbt.
Das Nießbrauchsrecht besteht als Eigentumsrecht des (neuen) Eigentümers fort.
§ 889 BGB gilt auch, wenn das Recht ‒ wie im Streitfall ‒ nicht ins Grundbuch eingetragen wurde.
Anschaffungskosten entstehen nur, wenn der Eigentümer das einem Dritten zustehende Recht an einem Grundstück zum Zweck einer Beseitigung der Beschränkungen seiner Eigen-tümerbefugnisse entgeltlich ablöst.
Beachten Sie …
Der BFH verwies den Streitfall an die Vorinstanz zurück, weil das FG nicht berücksichtigt hatte, dass die Steuerpflichtige bereits zuvor durch die erbvertraglich geregelte Übernahme von Verbindlichkeiten Anschaffungskosten für das Nießbrauchsrecht aufgewandt hatte, die für das Streitjahr im Wege der AfA als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Ver-pachtung anzusetzen gewesen wären.
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